Gleichberechtigung ist ein großes Wort – doch in der Realität klafft oft eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Zumindest sehe ich das so. Frauen sind heute in fast allen Berufsfeldern vertreten, leisten ebenso viel wie ihre männlichen Kollegen und haben auf dem Papier dieselben Rechte.
Doch die Zahlen zeigen: In vielen Bereichen sind Frauen nach wie vor benachteiligt. Ob in Führungspositionen, beim Gehalt oder in der gesellschaftlichen Wahrnehmung – es gibt nach wie vor Hürden, die den beruflichen Erfolg von Frauen beeinflussen.
In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf zentrale Themen wie Gleichberechtigung am Arbeitsplatz, den Gender Pay Gap, Rollenbilder und Selbstsabotage. Zudem beleuchten wir den Feminismus als Bewegung und das oft übersehene Thema Femizide.
Denn Frauen sollen nicht nur gleich verdienen, gleich aufsteigen und gleich entscheiden können – sie müssen vor allem gleich sicher leben dürfen.
Schauen wir uns die Themen im Einzelnen an:
In Deutschland sind Frauen in Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert. Im Jahr 2023 lag der Anteil von Frauen in Führungspositionen bei rund 29 Prozent – ein Wert, der Deutschland im EU-Vergleich nur auf Platz 22 von 27 Mitgliedsstaaten bringt. Der EU-Durchschnitt liegt bei 35 Prozent, während Länder wie Schweden (44 Prozent) oder Lettland (43 Prozent) eine deutlich bessere Bilanz aufweisen.
Auch im internationalen Vergleich zeigt sich ein ähnliches Bild. Während in Ländern wie Slowenien oder Schweden der Anteil von Frauen in leitenden Positionen über 40 Prozent liegt, stagniert Deutschland auf einem niedrigeren Niveau. Doch warum ist das so?
Die Gründe sind vielschichtig. Traditionelle Rollenbilder spielen nach wie vor eine große Rolle. Frauen übernehmen in vielen Familien den Großteil der Care-Arbeit, was Karrierechancen einschränkt. Zudem sind Führungsnetzwerke oft männerdominiert, was den Zugang zu Top-Positionen erschwert.
Und meiner Meinung nach sind wir Frauen in Themen wie Netzwerken – insbesondere in den entscheidenden Führungsnetzwerken – noch am Anfang. Wir arbeiten uns praktisch hin, während Männer hier oft von einem gewachsenen System profitieren. Aber die gute Nachricht ist: Wir holen auf.
Dennoch gibt es positive Entwicklungen. Gesetzliche Quoten für Aufsichtsräte haben den Frauenanteil in diesen Gremien erhöht. Unternehmen setzen verstärkt auf Mentoring-Programme und flexible Arbeitsmodelle, um Frauen den Weg in Führungspositionen zu erleichtern. Und nicht zuletzt trägt ein gesellschaftlicher Wandel dazu bei, alte Strukturen aufzubrechen und Diversität stärker zu fördern.
Auch ich engagiere mich ehrenamtlich in Mentoren-Programmen für Frauen im Business – und jedes Mal sehe ich, dass viele Herausforderungen erst dann wirklich greifbar werden. Gleichzeitig wird deutlich, wie wichtig gezielte Unterstützung und die richtigen Netzwerke sind.
Ein weiteres Hindernis auf dem Weg zur echten Gleichberechtigung ist die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen. Der sogenannte Gender Pay Gap beschreibt den durchschnittlichen Unterschied im Bruttostundenlohn. In Deutschland lag dieser 2023 bei 18 Prozent – ein Wert, der sich seit 2006 nur langsam verringert hat.
Dabei gibt es zwei wichtige Unterscheidungen:
Der unbereinigte Gender Pay Gap berücksichtigt alle Verdienste ohne weitere Faktoren und zeigt den allgemeinen Verdienstunterschied.
Der bereinigte Gender Pay Gap zeigt den Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen bei vergleichbarer Qualifikation, Tätigkeit und Rahmenbedingungen. Das bedeutet: Selbst wenn alle erklärbaren Faktoren herausgerechnet werden, bleibt eine Differenz – in Deutschland waren das 2023 im Schnitt 6 % weniger Lohn für Frauen. Gleiche Arbeit, gleiche Voraussetzungen – und trotzdem 6 % weniger Gehalt. Sollen wir das akzeptieren? Natürlich nicht.
Für den unbereinigten Gender Pay Gap sind die Ursachen vielfältig: Frauen arbeiten häufiger in schlechter bezahlten Branchen, übernehmen öfter Teilzeitstellen und haben durch familienbedingte Unterbrechungen schlechtere Aufstiegschancen.
Aber für den bereinigten Gender Pay Gap? Da bleibt eigentlich nur eine Erklärung: Es ist immer noch Gehaltsdiskriminierung. Warum sonst sollen Frauen für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt werden als Männer?
Im europäischen Vergleich liegt Deutschland über dem EU-Durchschnitt von 12,7 Prozent. Besonders auffällig ist, dass Länder wie Italien oder Luxemburg mit nur fünf Prozent Lohnunterschied deutlich besser abschneiden. Maßnahmen wie Gehaltstransparenz, die gezielte Förderung von Frauen in technischen Berufen und familienfreundliche Arbeitsbedingungen könnten helfen, die Lücke zu schließen.
Viele assoziieren den Begriff mit Radikalität oder einem Kampf der Geschlechter. Doch eigentlich geht es um etwas Grundsätzliches: Gleichberechtigung. Es geht eben nicht darum, dass Frauen „immer Recht“ haben oder „Männer immer schuld“ sind. Genau darüber wird auch in meinen Gesprächen mit anderen Männern und Frauen lebhaft diskutiert – und am Ende sind wir uns doch einig: Nein, es geht um echte Gleichberechtigung!
Feminismus setzt sich für gleiche Rechte, gleiche Chancen und gleiche Möglichkeiten für alle Geschlechter ein. Dazu gehört nicht nur der Zugang zu Bildung und Karriere, sondern auch die Anerkennung unbezahlter Arbeit, Schutz vor Gewalt und die Freiheit, das eigene Leben selbstbestimmt zu gestalten.
Gleichberechtigung bedeutet nicht, dass Frauen identisch mit Männern sein sollen – sondern dass sie dieselben Chancen und Rechte haben. Es bedeutet auch nicht, dass Männer automatisch verlieren, wenn Frauen mehr gewinnen. Vielmehr profitieren alle von einer Gesellschaft, in der Talente unabhängig vom Geschlecht gefördert werden.
Während der Weltfrauentag oft mit Gleichberechtigung in Verbindung gebracht wird, wird ein zentrales Thema dabei oft übersehen: Gewalt gegen Frauen. Femizide – also die gezielte Tötung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts – sind ein weltweites Problem.
Laut der Kriminalstatistik des BKA wurden 2022 in Deutschland 126 Frauen von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Mehr als 139.000 Fälle häuslicher Gewalt gegen Frauen wurden registriert – mit einer hohen Dunkelziffer. In vielen Fällen sind die Motive patriarchale Strukturen, Machtmissbrauch oder schlicht Hass auf Frauen.
Andere Länder kämpfen mit noch dramatischeren Zahlen. In Mexiko sterben täglich bis zu zehn Frauen durch Femizide, oft ohne Konsequenzen für die Täter. In Frankreich wurde 2019 der Begriff „Féminicide“ offiziell anerkannt, während Deutschland diesen Schritt noch nicht vollzogen hat.
Maßnahmen wie die konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention, bessere Strafverfolgung und ein gesellschaftlicher Wandel sind notwendig, um Frauen besser zu schützen. Denn Gleichberechtigung ist sinnlos, wenn Frauen nicht einmal ihr Leben sicher führen können, weil irgendein Mann meint, seine Macht oder Frustration mit Gewalt an einer Frau auszulassen?
Neben strukturellen Hindernissen gibt es auch interne Blockaden, die Frauen in ihrer Karriere bremsen.
Das Impostor-Syndrom: Eine oft zitierte interne Untersuchung bei Hewlett-Packard ergab, dass sich Frauen nur dann auf offene Stellen bewerben, wenn sie glauben, 100 % der Anforderungen zu erfüllen, während Männer sich bereits bei 60 % der erfüllten Kriterien bewerben. Diese Erkenntnis wurde unter anderem in Sheryl Sandbergs Buch “Lean In” thematisiert.
People-Pleasing: Frauen wurden über Jahrhunderte darauf sozialisiert, harmonisch und zurückhaltend zu sein. Die Angst, „zu fordernd“ zu wirken, hindert viele daran, für sich selbst einzustehen.
Finanzielle Selbstsabotage: Laut einer Studie des Global Financial Literacy Excellence Center aus dem Jahr 2021 neigen Frauen dazu, seltener Gehaltserhöhungen zu fordern oder für angemessene Gehälter zu kämpfen. Diese Zurückhaltung wird häufig auf mangelndes Selbstvertrauen zurückgeführt, das aus überholten Geschlechternormen resultiert.
Berufswahl und MINT-Fächer: Frauen meiden technische Berufe, obwohl sie oft genauso oder sogar besser in Mathematik und Naturwissenschaften sind wie ihre männlichen Kollegen. (MINT = Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik.)
Die Superwoman-Falle: Eine Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) aus dem Jahr 2015 mit dem Titel “Weibliche Karriereverläufe: Aufstiegschancen und -barrieren” zeigt, dass der Anspruch von Frauen, sowohl im Beruf als auch in der Familie perfekt zu sein, zu erheblichem Druck und Stress führen kann. Dieser Perfektionismus trägt häufig zu Erschöpfung und Selbstzweifeln bei, da Frauen versuchen, den hohen Erwartungen in beiden Lebensbereichen gerecht zu werden.
Diese Denkmuster sind nicht angeboren – sie sind erlernt. Und was erlernt wurde, kann auch verändert werden. Selbstbewusstsein, Mut und das bewusste Ablegen von Selbstsabotage sind Schritte auf dem Weg zu echter Gleichberechtigung.
Es gibt zahlreiche Beispiele, die zeigen, wie Unternehmen und die Politik von Frauen in Führungspositionen profitieren:
Studien deuten darauf hin, dass ein höherer Frauenanteil in Führungspositionen mit positiven Effekten auf den Unternehmenserfolg verbunden ist. So können vielfältige Führungsteams zu innovativeren Entscheidungen und einer verbesserten Arbeitsatmosphäre beitragen.
Erfolgreiche weibliche Führungskräfte: Beispiele wie Mary Barra, CEO von General Motors, und Güler Sabancı, Vorsitzende der Sabancı Holding, zeigen, dass Frauen erfolgreich große Unternehmen führen und dabei oft neue Perspektiven und Führungsstile einbringen. Und es gibt hier noch sehr viel mehr, natürlich!
Angela Merkel: Als erste Bundeskanzlerin Deutschlands führte Angela Merkel das Land von 2005 bis 2021 durch zahlreiche Krisen und wurde international für ihre besonnene und analytische Herangehensweise anerkannt.
Simone Veil: Die französische Politikerin war von 1979 bis 1982 die erste Präsidentin des Europäischen Parlaments und setzte sich zeitlebens für Frauenrechte und die europäische Integration ein. Dieses und weitere acht historische Frauen, die Europa bewegt haben, findest du hier.
Es gibt Hinweise darauf, dass von Frauen geführte Länder während der COVID-19-Pandemie effektiver reagiert haben. Eine Studie der University of Reading und der University of Liverpool analysierte die Reaktionen verschiedener Länder auf die Pandemie und stellte fest, dass Länder mit weiblichen Regierungschefs tendenziell früher strenge Maßnahmen wie Lockdowns einführten. Dies führte zu niedrigeren Infektions- und Todesraten im Vergleich zu Ländern mit männlichen Führungskräften. Die Forscher vermuten, dass weibliche Führungskräfte eher bereit waren, Risiken für die Wirtschaft einzugehen, um Menschenleben zu schützen.
Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass weibliche Führungskräfte in Krisenzeiten proaktive und entschlossene Maßnahmen ergreifen, die positive Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit haben können.
Frauen haben heute mehr Möglichkeiten als je zuvor. Doch echte Gleichberechtigung bedeutet nicht nur Erlaubnis, sondern auch Möglichkeit. Und diese beginnt oft in den Köpfen – in gesellschaftlichen Strukturen, in Unternehmensführungen, aber auch in den Selbstbildern von Frauen selbst.
Die gute Nachricht: Veränderung ist möglich. Mit Mut, Bewusstsein und dem Willen, alte Muster zu durchbrechen, kann jede Frau ihren eigenen Weg gehen – und die Zukunft für kommende Generationen mitgestalten.
Und die Beispiele zeigen: Wenn man sie lässt, machen sie es hervorragend. Bleibt nur zu hoffen, dass sie dafür auch endlich gerecht bezahlt werden!
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