Konflikte lösen mit dem Harvard-Verhandlungsmodell

Team diskutiert hitzig – ein Beispiel für Konfliktfähigkeit und Verhandlung nach dem Harvard-Verhandlungsmodell.

Konflikte verstehen und lösen: Kommunikation als Schlüssel

Hast du dich schon einmal gefragt, warum einfache Missverständnisse oft zu handfesten Konflikten eskalieren? Konflikte entstehen meist aus unklarer Kommunikation, aber sie bieten auch eine Chance: Wenn wir sie richtig angehen, können wir Beziehungen stärken und gemeinsam wachsen.

Doch Konflikte sind nicht nur ein zwischenmenschliches Problem – sie haben handfeste wirtschaftliche und gesundheitliche Folgen.

Unternehmen zahlen einen hohen Preis, wenn Spannungen ungelöst bleiben: 50.000 Euro pro Jahr, in jedem zehnten Unternehmen sogar 500.000 Euro. Das zeigt eine KPMG-Studie von 2014. Und auch unsere Gesundheit leidet darunter: Eine Studie der Universität Kopenhagen belegt, dass ungelöste Konflikte das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen um 50 % bis 100 % erhöhen.

 

Inhalt dieses Artikels:

  • Warum Konflikte oft aus der Kommunikation resultieren.
  • Der Unterschied zwischen Problemen, Streit und Konflikten.
  • Warum Konflikte nur auf der Beziehungsebene gelöst werden können.
  • Wie das Verhandlungsmodell hilft, Konflikte nachhaltig zu klären.
  • Tipps, um Konflikte im Team erfolgreich zu lösen.

 

Problem, Streit oder Konflikt: Wo liegt der Unterschied?

Nicht jeder Disput ist ein Konflikt. Der Unterschied liegt in der Tiefe:

Problem: Sachlich, klar definierbar, oft lösbar durch einfache Maßnahmen (Sachebene).

Streit: Persönlich, geprägt von unterschiedlichen Ansichten. Diskussionen können hitzig werden, lösen sich aber oft von selbst (persönliche Ebene).

Konflikt: Tiefer gehend, emotional aufgeladen, oft geprägt von Werten, Gefühlen und Beziehungen. Konflikte brauchen Zeit und einen strukturierten Lösungsansatz.

 

Das Verhandlungsmodell: Konflikte nachhaltig lösen

Das Harvard-Verhandlungsmodell ist ein bewährtes Werkzeug, um Konflikte nachhaltig und strukturiert zu klären. Die vier Grundprinzipien:

Prinzip 1: Menschen und Probleme voneinander trennen
Ich bin ok, du bist ok und dazwischen liegt ein Problem: Emotionen von sachlichen Themen trennen – der Schlüssel, um Eskalationen zu vermeiden.

Prinzip 2: Interessen statt Positionen verhandeln
Eine Position ist starre Forderung, Interessen sind die Gründe dahinter: Frage nach dem „Warum“ hinter den Forderungen, um die wahren Bedürfnisse zu erkennen.

Prinzip 3: Optionen für beiderseitigen Vorteil entwickeln
Kreative Lösungen schaffen, die für beide Seiten einen Mehrwert bieten. Das ist bei starren Position unmöglich, bei den jeweiligen Interessen leichter.

Prinzip 4: Objektive Kriterien nutzen
Fakten und Standards einbeziehen, um emotionale Diskussionen zu minimieren. Keine Entscheidungen, die auf Macht oder Position beruhen.

 

Zwei Geschwister und eine Orange

Ein klassisches Beispiel aus dem Verhandlungsmodell:

Die Geschwister Paul und Marie streiten um eine Orange. Ihre Mutter versucht, mit Äpfel, Bananen und sonstigen Obstsorten einzulenken. Die Geschwister streiten weiter. Mutter hat genug und teilt die Orange in zwei Hälften. Sind die Geschwister glücklich? Natürlich nicht! Jeder wollte die ganze Orange!

Als die Mutter nachfragt, warum beide die Orange wollen, stellt sich heraus: Paul braucht die Schale, um einen Kuchen zu backen, während Marie den Saft trinken möchte. Durch das Verständnis der Bedürfnisse kann eine Win-Win-Lösung gefunden werden: Paul bekommt die Schale, Marie den Saft.

Eine Orange – zwei Geschwister – eine Win-win-Lösung.

 

Klingt leicht? Ist es auch!

Bei Konflikten geht es nie um eine Sache (hier Orange) und man sie auch nicht mit einer Sache (hier weitere Obstsorten) lösen. Man kann gestresst einen Kompromiss durchsetzen (hier: jeder die Hälfte), aber wie sagt der Volksmund zu Kompromiss? Genau! “Fauler” Kompromiss! Beide Parteien sind nicht glücklich mit der Lösung.

Erst als es um die Frage nach dem Warum ging und die Geschwister ihre Bedürfnisse (hier: Kuchen backen und Saft trinken) offenbarten, erst dann war eine Lösung möglich – und das jenseits der einen starren Sache (hier: eine Orange).

 

Übertragen wir das Harvard-Verhandlungsmodell auf unseren Arbeitsalltag:

Ein Konflikt zwischen zwei Abteilungen entsteht, als ein Teammitglied im Meeting sagt: „Wir arbeiten ständig mehr als die anderen Abteilungen. Während die beim Feierabendbier sitzen, müssen wir hier weiter Überstunden schieben. Das ist unfair!“

Die Stimmung ist gereizt. Andere Teammitglieder und Kollegen reagieren emotional, was die Diskussion verschärft. Um den Konflikt zu lösen, wird das Harvard-Verhandlungsmodell angewandt.

 

Prinzip 1: Menschen und Probleme voneinander trennen

Erhitzte Gemüter beruhigen: Der Teamleiter stellt klar, dass es hier nicht um Schuldzuweisungen oder persönliche Angriffe geht, sondern um ein organisatorisches Problem.

Fokus auf die Sachfrage: Die Aussage „Wir arbeiten mehr“ wird als Anlass genutzt, die Arbeitsverteilung objektiv zu überprüfen.

Rahmen setzen: Der Teamleiter betont, dass beide Teams wichtig sind und eine sachliche Klärung im Vordergrund steht.

 

Prinzip 2: Interessen statt Positionen verhandeln

Fragen nach konkreten Belastungen: Was genau belastet euch in eurem Team? Gibt es bestimmte Projekte oder Prozesse, die besonders viel Zeit in Anspruch nehmen? Was würdet ihr euch wünschen, um entlastet zu werden?

Tiefergehende Interessen identifizieren: Wunsch nach Anerkennung der geleisteten Arbeit. Bedürfnis nach Entlastung durch gerechtere Aufgabenverteilung. Wunsch nach klareren Prioritäten und realistischeren Deadlines.

 

Prinzip 3: Optionen für beiderseitigen Vorteil entwickeln

Arbeitsverteilung analysieren: Eine transparente Erhebung zeigt, welche Aufgaben von welchem Team übernommen werden und wo Engpässe entstehen.

Projekte priorisieren: Nicht alle Aufgaben haben die gleiche Dringlichkeit. Klare Abstimmungen helfen, die Ressourcen gezielt einzusetzen.

Ressourcenverstärkung prüfen: Möglichkeiten werden geprüft, wie Aufgaben verteilt oder durch externe Unterstützung ergänzt werden können.

Kommunikationsstruktur verbessern: Regelmäßige Abstimmungen, z. B. wöchentliche Meetings, sorgen für mehr Transparenz und verhindern Missverständnisse.

 

Prinzip 4: Objektive Kriterien nutzen

Arbeitszeitdaten analysieren: Eine Übersicht über die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden schafft Transparenz.

Klare Zielvorgaben: Gemeinsame Ziele werden definiert, die für alle Teams nachvollziehbar sind.

Best Practices einholen: Erfahrungen aus ähnlichen Teams oder Unternehmen bieten neutrale Standards zur Optimierung der Arbeitslast.

Emotionale Untermauerung: In Zukunft unterstützen wir uns gegenseitig so, dass wir alle gemeinsam zum Feierabendbier gehen können.

 

Das Ergebnis: Eine Win-Win-Lösung

Durch die Anwendung des Harvard-Modells wird der Konflikt nicht nur entschärft, sondern nachhaltig gelöst:

Regelmäßige Abstimmungen: verbessern die Kommunikation und fördern das Verständnis.

Transparente Arbeitsverteilung: sorgt für eine gerechte Aufgabenlast und zeigt objektiv, wo Unterstützung benötigt wird.

Prioritäten und Ressourcen: werden besser definiert und genutzt, um Überbelastung zu vermeiden.

Das Team fühlt sich gehört und entlastet, ohne dass andere Abteilungen überfordert werden. Die Zusammenarbeit wird gestärkt und der Konflikt führt zu besseren Prozessen und Ergebnissen.

 

Konflikte als Chance für Wachstum und Erfolg

Richtig angegangen, können Konflikte Beziehungen im Team stärken, Prozesse optimieren und die Ergebnisse nachhaltig verbessern. Sie schaffen Klarheit, fördern Innovationen und helfen, verborgene Potenziale zu entdecken.

Und ein Wörtchen zu den „Harmoniesüchtigen“: Häufig ist Harmonie nur ein Deckname für Konfliktscheue. Doch echte Harmonie entsteht nicht durch Vermeiden, sondern durch Lösen von Konflikten. Ungelöste Spannungen können langfristig großen Schaden anrichten.

Also: Keine Angst vor Konflikten! Konflikte sind nützlich, wenn man sie offen und lösungsorientiert angeht. Am Ende profitieren alle – das Team, die Zusammenarbeit und das Unternehmen.

 

Aus meinem Alltag: Warum Konfliktlösung immer dabei ist – auch wenn keiner es merkt

Ich wurde bisher nur einmal explizit für eine Konfliktlösung im Team gebucht. Doch egal, ob Motivationsseminar, Kick-Off oder Team-Workshop – am Ende geht es fast immer um ungelöste Konflikte.

Deshalb zählt meine Mediator-Ausbildung für mich zu den wichtigsten: Man muss es nicht „Mediation“ nennen, um mit den richtigen Tools und Methoden Konflikte im Team sichtbar zu machen und zu lösen. Und wenn das gelingt? Dann laufen auch Motivation und Kick-Offs so richtig rund! 

Also: Löst eure Konflikte. Oder bucht einfach ein Motivations-Kick-Off. 😉 Ich weiß, dass, wenn es Spannungen im Team geben sollte (schön im Konjunktiv bleiben!), sie oft unter der Oberfläche schlummern – und genau die mache ich sichtbar. Vor allem aber: lösbar. 🎯

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